Alt-Wien und die Josefstadt: Erinnerung in Bildern
Inhalt
In der Zeit der sogenannten Gründerzeit – also von der Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts – war „Alt-Wien“ ein romantisch verklärter Begriff. Damit meinte man das barocke und biedermeierliche Wien. Wie oft in Zeiten des Umbruchs regte sich auch damals Widerstand. Manche Menschen lehnten den Umbau der Stadt und ihr schnelles Wachstum ab. Denn Wien veränderte sich stark: Die Bevölkerung wuchs, neue Viertel entstanden, Altes verschwand.
So entstand ein Bedarf an Bildern, die die vermeintlich "guten alten Zeiten" festhielten. Die Fotografie - zu dieser Zeit schon weit entwickelt - bot sich an. Sie ermöglichte es Dokumentarfotograf:innen – und ja, auch Frauen waren dabei – alte Häuser und Straßenzüge abzubilden, bevor sie abgerissen oder verändert wurden.
Ein wichtiger Fotograf war August Stauda. Ab den 1880er-Jahren ging er systematisch durch die Vorstädte Wiens. Er fotografierte nicht nur Gebäude, Plätze und Straßen. Häufig sind auf seinen Fotos auch Menschen, die dort lebten und arbeiteten, abgebildet. Diese Mischung macht seine Bilder so lebendig. Sie zeigen mehr als nur Architektur – sie erzählen Geschichten vom Leben in Wien.
Als Stauda 1928 starb, verkaufte seine Witwe rund 3000 seiner Fotografien an das Historische Museum (heute Wien Museum). Viele dieser Bilder sind in hoher Auflösung über die Webseite des Museums frei zugänglich. Auch die Österreichische Nationalbibliothek bietet Fotos zum Gratis-Download an – allerdings nur in kleinerer Bildgröße.
Ich habe mich besonders mit Bildern aus meinem Wohnbezirk beschäftigt: der Josefstadt. Neben Fotografien habe ich auch Postkarten und Grafiken gesammelt. Die Fotos stammen nicht nur von August Stauda, sondern auch von anderen Fotografen.
Die Josefstadt – der 8. Bezirk – ist im Vergleich zu anderen Bezirken innerhalb des Gürtels relativ jung. Erst Ende des 17. Jahrhunderts entstand rund um das Rottenhof-Gut ein erster Siedlungskern. Dieses Gebiet war das erste im heutigen Bezirk, das in Parzellen aufgeteilt und bebaut wurde. Ab 1710 wurde dort das Palais Auersperg gebaut – als Nachfolger des Rottenhof-Guts. Bereits 1697 war das Piaristenkloster gegründet worden. Im Jahr 1700 kaufte die Stadt Wien das Gebiet. Es wurde nach Prinz und später Kaiser Josef I. benannt: Josefstadt.
Diese Karte zeigt den aktuellen Plan von Wien, überlagert mit der historischen Karte von 1858.
Als erstes zeige ich beispielhaft einige alte Wien-Fotos. Zum Teil gibt es die abgebildeten Gebäude noch, wie das Militär-Geographische Institut. Andere Gebäude existieren nicht mehr. Sie gaben der Örtlichkeit aber ihren Namen, zum Beistpiel das Blindeninstitut der Blindengasse.
Weiters zu sehen: Ein Brunnen in der Albertgasse, er war ein Auslaufbrunnen der Albertinischen Wasserleitung. Diese Wasserleitung war die Vorläuferin der Hochquellwasserleitungen und wurde bereits Anfang der 19. Jahrhunderts gebaut. (Mehr über die Albertinische Wasserleitung)
Das Militär-Geographische Institut schaut heute noch genauso aus. Nach dem Ende der Monarchie beherbergte das Gebäude bis 1975 das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Heute befindet sich ein Teil des Wiener Magistrats dort.
- 8., Friedrich-Schmidt-Platz 3 - Militärgeographisches Institut, 1905–1915
- 8., Josefstädter Straße (links Blinden-Institut), um 1900, Carl (Karl) Ledermann jun.
- Institute for the education of the blind, Vienna, ca. 1830
- Wien 8, Albertgasse 37
Das Glacis
Das Glacis war ein freies Gelände vor den Stadtmauern Wiens. Nach der ersten Türkenbelagerung im Jahr 1529 wurden kleine Dörfer außerhalb der Mauern – die sogenannten Luken – nicht wieder aufgebaut. Es entstand eine freie Fläche, auf der nichts gebaut werden durfte. Auf diese Weise hatte man im Fall einer Belagerung freie Sicht auf die Angreifer und konnte die Stadt besser verteidigen.
In den folgenden Jahrhunderten wurde diese Fläche nach und nach erweitert. Spätestens mit den Napoleonischen Kriegen war klar: Stadtmauern und Glacis waren als militärischer Schutz veraltet. Neue Formen der Kriegsführung haben sie wertlos gemacht.
Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine große Veränderung: Wien wurde modernisiert und erweitert. In dieser Zeit wuchs die Stadt stark. Die Vorstädte wurden eingemeindet. Die Stadtgrenzen, die dabei entstanden, entsprachen fast den heutigen.
Das erste Foto zeigt den Blick auf die Josefstadt mit dem Glacis. Deutlich ist das Militär-Geographische Institut und die dahinterliegende Piaristenkirche zu sehen.









